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Weimar – eine Stadt erzählt politische Geschichte

Seminar der Stiftung Christlich-Soziale Politik in Weimar - Seminarbericht

Weimar – eine Stadt erzählt politische Geschichte
Seminar der Stiftung Christlich-Soziale Politik e.V. vom 15.-17. Juni 2011 im Jakob-Kaiser-Haus in Weimar
Weimar ist eine Stadt, in der es von historischen Orten nur so wimmelt. Faszinierend dabei ist, dass die Stadt in allen bedeutenden Epochen der deutschen Geschichte seit der Zeit der Klassik eine wichtige Rolle gespielt hat und es für alle Epochen historische Monumente und Erinnerungsorte gibt.
Vom 15.-17. Juni 2011 führte die Stiftung Christlich-Soziale Politik e.V. im Jakob-Kaiser-Haus in Weimar das Seminar „Weimar – eine Stadt erzählt politische Geschichte“ durch. 25 Teilnehmende begaben sich auf Entdeckungstour durch die geschichtsträchtige Stadt.
Das Seminar begann am 15. Juni nachmittags mit einem Vortrag von Kornelia Lukoschek, Kulturreferentin und Pädagogin aus Weimar zum Thema „Von der Weimarer Klassik zur Kulturstadt Europa: Die Geschichte der Stadt Weimar“. Zu Einstieg zitierte die Referentin ein Gedicht Goethes über die Stadt Weimar, um die Historie zu charakterisieren. Sodann gab sie einen kurzen Überblick über die Frühgeschichte der Stadt. Im Weiteren ging sie auf das 18. Jahrhundert ein, insbesondere die Zeit als Johann Sebastian Bach in Weimar weilte. Ausführlich ging die Referentin auf die Regierungszeit der Herzogin Anna Amalia ab 1759 ein, die den Grundstein für die kulturelle Entwicklung der Stadt legte. Im Folgenden wurden das goldene Zeitalter der Stadt Weimar, als Goethe, Schiller, Herder, Wieland und andere bedeutende Künstler in der Stadt ihre Werke schufen, ausführlich erläutert. Auch auf das Silberne Zeitalter der Stadt Mitte des 19. Jhd., in dem vor allem bedeutende Musiker wie Liszt und Strauß, der Stadt zu Ruhm verhalfen und die erneute Blüte der Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts, als sich das Bauhaus etablierte. Die Referentin führte aus, wie sich neben progressiven auch konservative Strömungen in Weimar bildeten, vor allem als die Versorgungslage der Stadt während des ersten Weltkrieges  schlecht wurde. Sie erläuterte die Entstehung der Weimarer Republik in Weimar und ging dann auf deren Untergang und die Machtübernahme durch die Nazis ein, die sich in Weimar früher etablierten als im übrigen Deutschland. Weiter ging die Referentin auf die Verbrechen der Nationalsozialistischen Diktatur in Weimar ein, die sowjetische Besatzungszeit und die Zeit der DDR. Abschließend erläuterte sie die jüngsten Entwicklungen der Stadt, die nach dem Fall der Mauer restauriert und wieder zu einem kulturellen Zentrum in Deutschland wurde, weshalb sie 1999 Kulturstadt Europa wurde. Tragik und Größe, Verbrechen und kulturelles Welterbe liegen in Weimar dicht beieinander.
Im Anschluss sahen die Teilnehmenden Auszüge des Films „Der Geist von Weimar“ von Peter Merseburger. Im Film wird die Entstehung des Kulturgutes in Weimar durch Goethe, Schiller und andere thematisiert, also die Entstehung des „Geistes von Weimar“ sowie dessen Instrumentalisierung durch die Nationalsozialisten und die DDR-Diktatur. Beide legitimierten ihre Herrschaft durch das geistige Gut der Weimarer Klassik und bezogen sich dabei beide insbesondere auf Schiller. Der Film wurde im Anschluss diskutiert.
 Am 6.06.2011 machte sich die Gruppe mit dem Bus auf den Weg zur Gedenkstätte Buchenwald, wo Hans-Peter Scheller, Leiter des Jakob-Kaiser-Hauses in Weimar die Gruppe von durch die Gedenkstätte führte. Am Eingang der Gedenkstätte erläuterte der Referent zunächst verschiedene Gebäude und Plätze, die der Bus auf dem Weg nach Buchenwald passiert hatte, wie das Gauforum und den Buchenwaldplatz in Weimar. Ausführlicher ging er auf die ehemalige Blutstraße nach Buchenwald und das vom DDR-Regime errichte Buchenwaldmahnmal ein. Dann erläuterte er kurz die Entstehung des Lagers und die Darstellung des Lagers in der DDR.
Anschließend sah die Gruppe den 30-minütigen Film „KZ Buchenwald  – Post Weimar“, von Margit Eschenbach im Filmvorführraum der Gedenkstätte. Im Film wird die Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald in der Zeit von 1937 bis 1945 geschildert, ehemalige Häftlinge kommen als Zeitzeugen zu Wort. Im Anschluss führte Herr Scheller die Gruppe zum Tor des ehemaligen Lagers, wo er über An- und Abtransport der Häftlinge, über Spezialzellen sowie die Inschrift im Lagertor informierte. Die Spezialzellen (Folterzellen für politische Häftlinge) konnten daraufhin besichtigt werden. Der Referent führte die Gruppe dann in das Lager, erläuterte anhand einer Tafel wie das Lager einmal ausgesehen hatte und führte die Gruppe zum Denkmal an die Gefangenen sowie dem noch erhaltenen Gebäude des ehemaligen Lagerladens. Weiter führte er die Gruppe zum Denkmal für die Opfer der Sinti und Roma sowie zu den Ruinen des ehemaligen Krankenhauses des Lagers und erläuterte den Umgang mit den Häftlingen dort. Auch die Ruinen des ehemaligen Lagerbordells wurden erläutert. Sodann führte Herr Scheller die Teilnehmenden zur Gedenkstätte an die Opfer des Sowjetischen Speziallagers Nr. 2, welches von 1945 – 1950 bestand. Im Anschluss wurden die Zeitschneise, die die Verbindung des Lagers zur Burg Ettersberg darstellt sowie die Ruinen des Sippenlagers besichtigt und erläutert. Der Referent erklärte warum zu DDR-Zeiten fast das gesamte Lager abgerissen wurde und stellte während der Führung immer wieder den Bezug her, wie die Aufarbeitung der Lagergeschichte in der DDR vollzogen wurde. Dies konnte er als Zeitzeuge schildern.
 Am Nachmittag des 16. Juni 2011 fand zunächst ein Besuch im Stadtmuseums in Weimar statt, wo Diana Trojca, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums die Gruppe zum Thema „Die Weimarer Republik“ durch die entsprechenden Abschnitte der Ausstellung führte. Anhand verschiedener Ausstellungsstücke erläuterte sie, warum Weimar als Ort der Verfassungsgebenden Nationalversammlung ausgewählt wurde, sie zeigte den Teilnehmenden Fotos, Eintrittskarten etc. der Nationalversammlung im Nationaltheater und erläuterte so, wie die Weimarer Republik entstand. Sie erläuterte den kurzen Verlauf der Weimarer Republik sowie deren Untergang durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Im Anschluss hatten die Teilnehmenden Zeit, Fragen zu stellen.
 Weiter ging es nach dem Museumsbesuch mit einer Stadtführung zum Thema „historische Orte der Wende“. Joachim Hackelberg, Stadtführer der Tourist Information Weimar leitete die Gruppe. Die Stadtführung begann auf dem Marktplatz in Weimar wo Herr Hackelberg zunächst auf das dort befindliche Hotel Elefant einging und dessen geschichtliche Bezüge zu Goethe und Hitler herstellte. Dann zeigte der das Rathaus und erläuterte die Kommunalwahlen im Mai 1989, die offensichtlich gefälscht wurden. Auch erläuterte, dass der Oberbürgermeister der Stadt Weimar zur Zeit der DDR immer ein Ost-CDU-Politiker war, da Weimar das Aushängeschild der DDR für das Ausland war und das Regime dadurch demonstrieren wollte, dass es eine Opposition zulässt. Weiter führte Herr Hackelberg die Gruppe zum Platz der Demokratie. Er erläuterte, dass dieser immer der Endpunkt der ab Oktober 1989 stattfindenden Dienstagsdemonstrationen (analog zu den Montagsdemonstrationen in Leipzig) war. Er erläuterte die Entstehung des Widerstands gegen das DDR-Regime in Weimar, die Organisation der Demonstrationen und Kundgebungen. Auch machte er die Teilnehmenden auf eine Gedenkplatte auf dem Platz aufmerksam, die an diese Demonstrationen erinnert. Herr Hackelberg zeigte den Teilnehmenden das Weimarer Stadtschloss, welches die Fürsten Weimars bewohnt hatten. Weiter führte er die Gruppe zur Peter und Paul Kirche, die als schützendes Dach für die Opposition gegen das DDR-Regime in Weimar gedient hatte. Er berichtete von den Veranstaltungen die hier stattgefunden hatten, die Widerstandsaktionen, die von hier aus organisiert wurden. Er selbst war bei einigen Veranstaltungen (wie auch bei den zuvor erwähnten Demonstrationen) dabei gewesen und konnte so als Zeitzeuge berichten. Weiter führte er die Gruppe zur Jakobskirche, einen weiteren bedeutenden Ort des Widerstandes in Weimar. Er erläutere die Biografie des Pfarrers Erich Kranz, der hier den Widerstand organisiert hatte und später Mitglied des runden Tisches wurde. Die Stadtführung endete am Goethe und Schiller Denkmal, hier erläuterte der Stadtführer anhand von Fotos, die er dabei hatte, wie das Denkmal zur Zeit der Wende als Aushang für Plakate der Opposition diente. Weimar war ein Zentrum der Opposition gegen den SED-Staat.
 Der Abend fand einen gemütlichen Ausklang bei einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant Felsenkeller.
 Am Freitag, den 17. Juni 2011 referierte Prof. Dr. Lothar Ehrlich, ehem. Leiter des Referats Forschung und Bildung der Klassik Stiftung Weimar aus Weimar zum Thema „Weimar und Buchenwald in der Kulturpolitik der DDR“. Er stellte dar, dass es zwar in der DDR durchaus unterschiedliche Auffassungen zum Umgang mit der NS-Zeit in Weimar und der Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald gab, jedoch die Erinnerungskultur immer von oben vorgegeben war und eine pluralistische Erinnerungskultur oder Meinungsbildung nicht möglich war. Er erläuterte, dass in der Kulturpolitik der DDR propagiert wurde, dass das KZ nur von Westdeutschen befürwortet wurde, es wurde verschwiegen, dass es von den Weimarer Bürgern weitestgehend akzeptiert und in das Leben der Stadt integriert war. Hierüber fand nach 1945 eine „absolute Verdrängungsleistung“ statt. Der Referent stellte heraus, dass Buchenwald vom SED-Regime nicht als ein Erinnerungsort für Opfer dargestellt wurde, sondern auch immer für die eigenen Zwecke instrumentalisiert wurde. Die Geschichte Buchenwalds wurde immer als Geschichte des kommunistischen Wiederstands erzählt. Die Kooperation kommunistischer Häftlinge im Lager mit der SS zu Ungunsten anderer Häftlinge sowie die Existenz des Sowjetischen Speziallagers in Buchenwald von 1945 bis 1950 wurde völlig ausgeblendet. An dieser Stelle wurde über die Darstellung historischer Ereignisse in der DDR generell diskutiert. Als charakteristisches Beispiel der Darstellung der Geschichte des Konzentrationslagers in der DDR erläuterte der Referent die Geschichte der sogenannten „Goethe-Eiche“, anhand derer ein Mythos kommunistischer Widerstandskämpfer aufgebaut wurde. Nach einer kurzen Pause wurden dann verschiedene Themen diskutiert, so die Vermittlung kulturpolitischer Inhalte in den Schulen der DDR und die Veränderungen, die sich für Historiker und in der Kulturpolitik Aktive mit der Wende 1989 ergaben (der Referent konnte hier als Zeitzeuge berichten).