Zu Beginn der Vortragsveranstaltung „Politisches Abendforum spezial – 70 Jahre Ahlener Programm“ rief Josef Zolk, Schatzmeister der Stiftung Christlich-Soziale Politik e.V. den rund 130 Zuhörerinnen und Zuhörern im Arbeitnehmer-Zentrum Königswinter die prominenten Eingangssätze der als „Ahlener Programm“ bekannt gewordenen programmatischen Erklärung der CDU in der britischen Zone vom 3. Februar 1947 noch einmal in Erinnerung: Im Bewusstsein der Folgen der verbrecherischen Politik des Nationalsozialismus forderten die Christdemokraten die Abkehr vom kapitalistischen Wirtschaftssystem und eine grundlegende gesellschaftliche und politische Neuordnung entlang der Ideen von Menschenwürde, Frieden, Freiheit und Wohlstand.
Den Eingangsvortrag bestritt Prof. Dr. Matthias Zimmer MdB. Eingangs betonte er, dass das Ahlener Programm zwar nur aus der Situation der Nachkriegszeit zu verstehen sei, aber keinesfalls als „verirrte Jugendsünde“ der Union betrachtet werden sollte. Es wirkte im Gegenteil bis in die heutige Zeit fort und bleibe aktuell. Die Unionsgründungen in Köln und Frankfurt, sowie Christdemokraten wie Johannes Albers, Karl Arnold und Jakob Kaiser formulierten gegenüber der pragmatisch-bürgerlichen Politik Konrad Adenauers den Wunsch nach einer antikapitalistischen und durch christliche Sozialvorstellung und Verantwortung gebundene Politik. Wichtig sei es, die in Ahlen vorbereitete und später als „Soziale Marktwirtschaft“ bekannt gewordene Wirtschaftsordnung als System der Begrenzung der Wirtschaft zu begreifen, das bis in unsere Tage „nachhallt“: Auch heute gebe es Formen des Kapitalismus, der nicht den Menschen dient. Dabei gehe es vor allem um Nachhaltigkeitsfragen und die Herausforderung, internationale Märkte in einer globalisierten Welt überhaupt einer Wettbewerbsordnung unterwerfen zu können. Eine solche soziale Weltwirtschaftsordnung zu schaffen ist Lehre und Auftrag des Ahlener Programms. Angetreten könnte dieses Erbe etwa werden durch mehr internationale Kooperation gegen Populisten und die Durchsetzung einer global orientierten Soziallehre.
Dr. Corinna Franz, Geschäftsführerin der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhöndorf wollte das Ahlener Programm als „Lehrstück, wie man erfolgreich Politik macht“ aus der Sicht Konrad Adenauers besprechen. Adenauer, selbst kein Mitgründer der Union, stieß erst später zu der neuen Partei hinzu, prägte sie aber programmatisch wie personell maßgeblich. Aus politiktaktischen Gründen wollte er die CDU als Sammlungspartei aufbauen und wehrte sich erfolgreich gegen jede Form von „Sozialismus“ in der Programmatik der Partei. Die Referentin beschreibt das Vorgehen des späteren Bundeskanzlers dabei einerseits als Einbindungsleistung des wichtigen linken Flügels der Partei, diesen aber andererseits gleichzeitig gestutzt zu haben: Durch die Gründung der Sozialausschüsse, durch die Idee der Volkspartei und der Sprachregelung von der „Sozialen Marktwirtschaft“ in den Düsseldorfer Leitsätzen hatte Adenauer nach innen integriert, nach außen polarisiert und damit mitunter die Grundlage dafür gelegt, dass die Union für kommende Wahlerfolge gewappnet war.
Besonders betonte Karl-Josef Laumann, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, in seinem Beitrag, dass das Ahlener Programm für die Geschichte der Union und die Geschichte der Bundesrepublik wichtige Impulse geliefert hatte. Zentrale Verbindungen zeigte es aber auch zum Bundesland Nordrhein-Westfalen, das als „soziales Gewissen“ der Republik bekannt wurde: Die Entstehungsumstände des Ahlener Programms machten deutlich, dass in der unmittelbaren Nachkriegssituation das moralische Gewissen der bundesrepublikanischen Politik begründet liegt. Die Erkenntnisse darum, dass die Sozialpartnerschaft den Klassenkampf überwinden, die wirtschaftliche Ordnung im Dienste des Sozialen stehen und die christlichen Sozialvorstellungen hierzu grundlegend sein sollten, erhielt bei Laumann besondere Betonung. Das Ahlener Programm stelle immer wieder die entscheidenden Fragen danach, ob Gewinnmaximierung Ziel der Wirtschaftspolitik sein sollte und welche Verantwortung Konzerne sowie Arbeitnehmervertreter in Betrieben gegenüber der Allgemeinheit haben. Mit dieser Verantwortung sind zahlreiche andere politische Fragen um Chancengleichheit, Infrastruktur- und Industriepolitik verknüpft. Laumann stellte heraus, dass für ihn persönlich die Grundlage einer sozialen Politik die Orientierung am christlichen Menschenbild und einer tatsächlich an gesellschaftlichen Fragestellungen interessierten „Sozialen Marktwirtschaft“ darstellt. Die Substanz des Ahlener Programms werde bis zum heutigen Tag am Engagement für eine Wirtschaftsordnung sichtbar, der der Zusammenhalt der Gesellschaft ein wichtiges Anliegen ist. Erreicht werden könnte dieser Zusammenhalt mit einer Politik, die aus dem Glauben heraus verantwortet, authentisch und in positivem Geist vertreten wird.
Gabriel Rolfes
Promovierender der Geschichte, Universität Bonn