Anlässlich des Neujahrsempfangs der Stiftung Christlich-Soziale Politik im AZK am 11. Januar 2014 bezeichnete der Stiftungsvorsitzende Werner Schreiber das 2014 als das Jahr der Erinnerungen. So verwies er auf den Ausbruch des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren und erinnerte an die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR vor 25 Jahren. Wiederum ständen aber auch Kommunalwahlen in vielen Bundesländern und die Europawahlen auf der Agenda. Als prominenten europäischen Gast konnte die Stiftung CSP den EU-Kommissar Günther Oettinger begrüßen. Schreiber leitet zum Vortrag über indem er unterstrich, dass Energiepolitik Arbeitnehmerpolitik ist.
Der ehemaligen Ministerpräsident Baden-Württembergs und heutige EU-Kommissar für Energie bedankte sich für die Einladung und bezeichnete das AZK als Bildungsstätte als Haus mit guten Namen sowie Bildungsstätte mit Qualität und Gewicht.
Eingangs nahm Oettinger seine Zuhörer auf eine Zeitreise und erzählte von seinem Großvater, der noch in den Vogesen am blutigen Stellungskrieg des Weltkrieges teilgenommen hatte. Heute sei der Frieden garantiert, weil die Europäische Union eine Friedensunion ist. Dennoch dürften die heutigen EU-Mitglieder nicht vergessen, dass der Balkan abermals nach dem 1. Weltkrieg noch vor wenigen Jahren Kriegsschauplatz gewesen ist. Serbien unternimmt heute viele Anstrengungen, sich für die EU zu qualifizieren. Die EU stabilisiert Europa und sorgt für Frieden und Wohlstand.
Deutschland hat von der europäischen Einigung stets stark profitiert und ist wiederum als Exportnation auf Europa angewiesen, so der prominente Referent vor rund 200 Zuhörern. Deutschland stellt nur weniger als 1% der Weltbevölkerung dar. Die EU wiederum nur 7% der Weltbevölkerung, jedoch 25% der gesamten weltweiten Wertschöpfung. Deshalb muss es im deutschen Interesse sein, die EU zu stärken und in der Staatengemeinschaft dabei zu bleiben. Unser Weltbild muss sich ändern, und wir müssen China als Weltmacht und ungeheurer starke Exportnation wahrnehmen.
Deutschland muss sich deshalb mehr um seine Infrastruktur kümmern, wenn es im weltweiten Wettbewerb mithalten will. Strukturreformen werden weiterhin zu langsam umgesetzt. Die Agenda 2010 war im Nachhinein richtig und notwendig. Heute lebt Deutschland vielfach von seiner Substanz und genießt noch den Erbenvorteil.
Nachdrücklich sprach sich Oettinger für Zuwanderung aus. Den Begriff Armutsauswanderer bezeichnete er als irreführend. Zunächst, Armut sei keine Schande und erinnerte an seine Landleute, welche aus Baden und Württemberg ausgewandert seien, um eine bessere Zukunft für ihre Familien zu sichern. Deutschland sei ein alterndes Land mit einem Altersschnitt von 44 Jahren (EU 40 Jahre). Er wandte sich gegen populistisches Gerede in Punkto Zuwanderung.
Oettinger führte zur Energiewende aus: Die Energiewende werde von der großen Mehrheit der Deutschen befürwortet. 90% der Deutschen sprächen sich gegen die Kernkraft aus, allerdings in der EU gäbe es 30% Kernkraftstrom. So werde der tagtägliche Energieverbrauch immer noch mit Atomstrom sichergestellt. 45% deutschen Energieverbrauchs werde von der Kohle gedeckt. Daher sei die Kohle unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund rief Oettinger auf, Leserbriefe pro Kohle zu schreiben. Wer eine Industrie halten will, braucht Energie rund um die Uhr. Industrielle Wertschöpfung ist weiterhin dringend notwendig. Erst dann folgen Dienstleistungen, die Arbeitsplätze erst in zweiter Linie sichern. An verschiedenen Beispielen machte Oettinger die Notwendigkeit für die Industrie deutlich, ausreichend tagtäglich Strom zu bekommen. So braucht der Chemie-Konzern BASF im Jahr mehr Strom als der Staat Dänemark. Das universitäre Krebszentrum Heidelberg benötigt täglich genau so viel Strom wie eine Kleinstadt mit 15.000 Einwohnern.
Das EEG nannte Oettinger verzerrend und reformbedürftig. Die hohen Subventionen seien problematisch. Eine Energiewende im Schweinsgalopp mache wenig Sinn, wenn die Netze und weitere Voraussetzung nicht beständen.
Oettinger erhielt starke Zustimmung aus dem Publikum für seine Ausführungen. Ein lang anhaltender Beifall verabschiedete den EU-Kommissar mit den guten Wünschen für das neue Jahr.
Karsten Matthis
Geschäftsführer und Pädagogischer Leiter Stiftung CSP