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Karl Schiewerling MdB bei „Politik am Mittag“

Der Sozialstaat wurzelt im christlich-sozialen Menschenbild

In der Reihe „Politik am Mittag“ referierte der Arbeitsmarktexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Karl Schiewerling am 02. November 2011 im AZK. Der Vorsitzende der Stiftung Minister a. D. Werner Schreiber begrüßte das Mitglied der Arbeitnehmergruppe. Eingangs führte Schreiber aus, dass zur Zeit die Schuldenkrise verschiedener EU-Staaten alles beherrsche. Viele Bürgerinnen und Bürger fragten sich, wenn für hochverschuldete Staaten wie Griechenland ein milliardenschwerer Rettungsschirm gespannt werde, aber für Hartz-IV-Empfänger kaum Verbesserungen möglich seien, dann stimme etwas nicht mit dem bundesdeutschen Sozialstaat. Die Verunsicherung unter vielen Menschen wachse, wie angesichts der Schuldenlast der Bundesrepublik Deutschland künftig der Sozialstaat seine Leistungen noch aufrechterhalten könne.
An das Eingangsstatement knüpfte der Referent an. Karl Schiewerling schließt den Abbau des Sozialstaats aus, denn der Sozialstaat sei im Grundgesetz durch die Artikel 20,1 GG und 28,1 GG geschützt. Beide Artikel des Grundgesetzes sprechen von einem sozialen Bundesstaat, der nicht in die Beliebigkeit der Politik gestellt ist. Der Sozialstaat, der in der Kaiserzeit und in der Weimarer Republik in vielen Schritten aufgebaut worden ist, ist das Ergebnis eines christlichen Menschenbildes und die Antwort auf sozialpolitische Herausforderungen. Der Sozialstaat fußt im Auftrag des Staates auf die Prinzipien Personalität, Subsidiarität und Solidarität. Zusätzlich ist in den letzten Jahren das Prinzip der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.  
Notwendig für einen leistungsstarken Sozialstaat ist eine prosperierende Wirtschaft. Wachstum und Beschäftigung sichern den Sozialstaat. Der moderne Sozialstaat hat sich auch der demografischen Entwicklung zu stellen. Auf eine alternde Gesellschaft müssen sich die Versorgungssysteme Rente und Pflege immer mehr einstellen. Neben Ehe und Familie als kleinste Zellen der Gesellschaft ist die Qualifizierung von Arbeitnehmern die weitere Stütze des Sozialstaates. Nur durch eine gute und ausreichende Bildung kann soziale Teilhabe und Menschenwürde jedes einzelnen gesichert werden.  
In den 90iger Jahren kam immer stärker die Diskussion auf, so Schiewerling, der Sozialstaat führe zu Unfreiheit und Abhängigkeit und sei letztendlich nur eine soziale Hängematte. In der Tat ist es so, dass der Sozialstaat den Schwachen nützt. Wem auch sonst! Es ist die Aufgabe der Solidargemeinschaft, den Schwachen zu helfen.  
Schiewerling wies darauf hin, dass die Sozialausgaben in Deutschland doppelt so hoch seien, wie der Bundeshaushalt. Für Alter würden 281 Mrd., für Krankheit 253 Mrd., für Kinder und Mutterschutz 98 Mrd., für Arbeitsförderung 41 Mrd. und für Wohnen 21 Mrd. Euro ausgegeben. Damit ein Sozialstaat krisenfähig ist, muss er immer wieder neu justiert werden. An verschiedenen Stellen hat die Politik nachjustiert wie im Rahmen von Rente und Gesundheitsversorgung. Ziel der Rente muss sein, jenes Rentenniveau von 67 % des letzten Lohnes nicht zu unterschreiten. Daher ist es wichtig, dass der Bundeszuschuss von 81 Mrd. zur Rente unverändert bleibt. Die Verlängerung der Arbeitszeit ist angesichts ansteigender Rentenlaufzeiten aufgrund längerer Lebenszeiten absolut notwendig gewesen.  
Schiewerling betonte, dass neben der gesetzlichen Rente, andere Säulen weiterhin gefördert und gesichert werden müssen. Beispielsweise die betriebliche Rente und die private Vorsorge. Auch das Eigenheim als Alterssicherung ist sinnvoll zu fördern. Eine wichtige Aufgabe der Sozialpolitik der nächsten Jahre ist angemessene Rahmenbedingungen für eine längere
Lebensarbeitszeit zu schaffen. Langsam stellen sich die Betriebe darauf ein, dass sich die Lebensarbeitszeiten verlängern. Schiewerling berichtete aus den aktuellen Rentendialogdebatten, welche die Arbeitsministerin von der Leyen initiiert. Absolut sinnvoll ist es, die Invalidenrenten aufzustocken und den Hinzuverdienst im Rentenalter zu erleichtern. Dringend muss die Politik einen Ost-West-Ausgleich im Blick haben, wenn der Solidarpakt im Jahr 2019 ausläuft. 
Im Gesundheitssystem ist mit weiterhin steigenden Kosten zu rechnen, weil die Menschen älter werden und die Kosten sich für medizinische Versorgung nicht verringert. Im Bereich der Pflegedienste spricht sich Schiewerling dafür aus, dass Menschen, die bereits jetzt schon auf dem Arbeitsmarkt sind oder eine Beschäftigung suchen, qualifiziert werden und nicht allein auf Zuwanderung bspw. aus den Philippinen gesetzt wird. Das Gesundheitssystem in Deutschland hat weiterhin einen weltweit guten Ruf. Auch Hartz-IV-Empfängern ist es möglich, Versorgungsleistungen zu gewähren anders als bspw. in den USA.
Die Arbeitslosigkeit ist vergleichbar mit den Zahlen von 2005 enorm gesunken. Statt 5 Mio. suchen zur Zeit 2,7 Mio. Menschen Arbeit. Hervorzuheben ist, dass ein Aufwuchs von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung festzustellen ist. Von den neuen Arbeitsplätzen sind 50 % ganztägige Beschäftigungsverhältnisse und verbessern spürbar die Lage in den Sozialkassen. Die Rentenrücklage ist auf 1,5 Monatsausgaben gestiegen. Es ist möglich, künftig den Rentenbeitrag leicht zu senken, weil eben die Rücklagen gewachsen sind. Auch der Gesundheitsfond stabilisiert sich und wächst auf. Die Rücklagen bei der Pflegeversicherung sind stabil. 
Schiewerling plädierte nachdrücklich für die Gewinnung von mehr Fachkräften durch Qualifizierung und Bildung. In der CDU/CSU ist das Denken des Leipziger Parteitages obsolet geworden, weil nur auf kapitalgedeckte Modelle und private Vorsorge zu setzen, nicht zielführend sein kann. Ein Umdenken zugunsten des klassischen Sozialstaates hat längst eingesetzt. Nur ein starker und leistungsfähiger Staat kann ein Kurzarbeitergeld sichern, welches in der Krise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu Gute kommt. Durch die Krisen der vergangenen Jahre ist das Verständnis dafür gewachsen, dass es ohne Solidarität in der Gesellschaft nicht geht. Nur durch einen Gleichklang von Solidarität und Eigenverantwortung wird der Sozialstaat langfristig gesichert werden. Es ist Aufgabe der Politik, einen Rahmen für einen funktionierenden und leistungsstarken Sozialstaat zu schaffen.
In der abschließenden Diskussion wurden Detailfragen im Bereich Rente und Pflege diskutiert. Übereinstimmend herrschte die Meinung unter den rd. 70 Teilnehmern vor, dass es zu einem Umbau des Sozialstaates in sozialer Verantwortung und Augenmaß keine Alternative gebe. Karl Schiewerling erhielt für sein Plädoyer für den modernen Sozialstaat viel Beifall.
Mehr über Karl Schiewerling und seine Arbeit im Internet: http://www.karl-schiewerling.de/