Trotz strömenden Regens war der Konferenzsaal der Stiftung CSP mehr als gut gefüllt. Knapp 200 Interessierte waren gekommen, um den Bundestagspräsidenten, Dr. Norbert Lammert MdB, zu hören.
Werner Schreiber, Vorsitzender der Stiftung, begrüßte den Bundestagspräsidenten und wies darauf hin, dass es Norbert Lammert war, der nachdrücklich die Rechte des Parlamentes gestärkt hat. Ferner lobte er den Einsatz Norbert Lammerts für die Menschenrechte weltweit. Werner Schreiber stellte die Eingangsfragen: „Wie kann es gelingen, wieder höhere Wahlbeteiligungen zu erzielen? Wie kann eine Politikmüdigkeit überwunden werden?“
Lammert beklagte in seiner Replik auf die Einleitung von Werner Schreiber, dass sich vielfach die politische Diskussion zwischen Dramatisierung oder Banalisierung bewege. Einerseits wurden politische Ereignisse dramatisiert und übertrieben dargestellt, andererseits relativiert und wenig differenziert aufgearbeitet. Lammert hielt fest, dass zurzeit die Deutschen in ihrer glücklichsten geschichtlichen Phase leben. Deutschland ist anerkannt und respektiert, die Kanzlerin genießt große Wertschätzung weit über die EU-Mitgliedsstaaten hinaus.
Die deutsche Einheit wird mittlerweile als völlig selbstverständlich in der Bevölkerung hingenommen, obwohl es ein schwieriger und komplizierter Weg war und ein Zusammenspiel vieler bedurfte. Mit Bedauern konstatiert Lammert, dass die bundesdeutsche Bevölkerung Politik, Parlament und Politiker wenig schätzen. Nur wenige Institutionen genießen eine hohe Reputation wie das Bundesverfassungsgericht.
Es sei bemerkenswert: Je höher der Lebensstandard, desto geringer die politische Beteiligung beispielsweise bei Wahlen. Jedoch sei es in Deutschland anders als in den USA, dass bei den Bundestagswahlen 80 % und bei Landtagswahlen immerhin durchschnittlich 60 % ihre Stimme abgeben. Dies ist ein viel besseres Ergebnis der Wahlbeteiligung als in den USA. Jedoch käme niemand darauf, dem US-amerikanischen Präsidenten seine Legitimation abzusprechen, nur weil die Wahlbeteiligung geringer als in vergleichbaren Ländern ist. Allerdings für bemerkenswert und problematisch bewertet Lammert den Rückgang an Parteimitgliedschaften. Das Grundgesetz weist den Parteien wichtige Aufgaben zu, die für die Demokratie von hoher Wichtigkeit sind.
Der Bundestagspräsident, Dr. Lammert, erinnerte an die Weimarer Republik. Diese sei aufgrund von Mangel an Demokraten gescheitert. Die Rückerinnerung an Weimar tut unserer heutigen politischen Kultur gut. Demokratie braucht aktive Demokraten, die sich für freiheitliche Ordnung und den Sozial- und Rechtsstaat engagieren. Demokratie, so Lammert, steht und fällt mit dem Engagement der Bürger.
Der Bundestagspräsident lud die Teilnehmenden ein, mit ihm zu diskutieren. In einer lebendigen Diskussion wurden verschiedene Partizipationsmöglichkeiten der Bürger aufgegriffen. Die Teilnahme an Betriebsratswahlen unterstrich insbesondere der Bundestagspräsident als Ausdruck demokratischer Partizipation in Wirtschaft und Industrie. Er beklagte die sehr geringe Wahlbeteiligung zu den Studentenparlamenten an den Hochschulen. Eine gewisse Lässigkeit bei Wahlen sei bedauerlich.
In der Diskussion wies der Bundestagspräsident darüber hinaus darauf hin, dass die Beteiligung bei den sogenannten Direktwahlen Bürgermeister und Landräten klar unter den Wahlbeteiligungen bei Landtagswahlen liegt. Bei Bürgerentscheiden werde häufig nicht das Quorum für eine Volksabstimmung erreicht. Deshalb haben einige Bundesländer die Anforderungen für direkte Bürgerbeteiligungen bzw. die Quoren gesenkt.
Der Bundestagspräsident erhielt viel Beifall für seine Ausführungen. Werner Schreiber dankte ihm herzlich für sein Engagement für die Demokratie und politische Kultur in Deutschland. Es sei ein großes Vergnügen, ihm aufgrund seiner geschliffenen Rhetorik zuzuhören.
Karsten Matthis
Geschäftsführer der Stiftung CSP
Foto von links:
Werner Schreiber, Vorsitzender der Stitung CSP
Heinz Soénius, Ehrenvorsitzender der Stiftung CSP
Dr. Norbert Lammert MdB
Hermann-Josef Arentz, Mitglied im Vorstand der Stiftung CSP
Web: http://www.norbert-lammert.de
Fotos: Robert Hein, Politikberater, Trainer und Coach, Hein-Consulting, Wachtberg