Anton Storch (1892-1975): Ein Architekt des bundesdeutschen Sozialstaates
Anton Valentin Storch wurde 1892 im hessischen Fulda geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, da seine Eltern früh verstarben. Im Jahr 1906 begann Storch eine Ausbildung als Tischler. Nach seiner Gesellenprüfung ging er durch das europäische Ausland auf Wanderschaft. Als Wandergeselle schloss sich Storch der Kolpingfamilie an. Ebenfalls entschloss er sich, dem Christlichen Holzarbeiterverbandes beizutreten. Storch wurde wie viele seiner Altersgenossen zum 1. Weltkrieg eingezogen und leistete vier Jahre Kriegsdienst. Erste politische Erfahrungen sammelte er unmittelbar nach dem Krieg als Mitglied eines Soldatenrates. Jedoch wurde Storch kein Anhänger einer Räterepublik, sondern trat im Jahr 1919 dem Zentrum bei.
Die westfälische Stadt Ahlen war eine seiner ersten Stationen nach dem 1. Weltkrieg. Im Jahr 1920 zog Storch nach Koblenz um, da er dort das Amt des Unterbezirksleiters seines Christlichen Holzarbeiterverbandes übernahm. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten blieb Storch hauptamtlicher Angestellter seiner Gewerkschaft. Mit dem Jahr 1921 rückte er weiter in der Hierarchie seiner Gewerkschaft auf und wurde in Hannover Vorsitzender des Dachverbandes der Provinz Hannover. Im Jahr 1933, im Zuge der NS-Diktatur, wurde er fristlos entlassen und musste sich als selbstständiger Versicherungsvertreter durchschlagen. Im Jahr 1939 wurde er zur Feuerpolizei zwangsverpflichtet.
Nach Ende des 2. Weltkriegs setzte sich Storch nachdrücklich für eine überkonfessionelle Partei ein, so gründete er mit Mitstreitern die CDU in Hannover. Nachdrücklich befürwortete er eine Einheitsgewerkschaft und lehnte die alten Richtungsgewerkschaften ab. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch wurde Storch in wichtige Ämter berufen. So übernahm er die sozialpolitische Abteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in der britisch besetzten Zone. Ab Juni 1947 gehörte er dem Wirtschaftsrat auf Vorschlag des Länderrates an. Im August 1948 wurde Storch zum Direktor für die Verwaltung für Arbeit (Ressort 6) bestimmt. Er setzte sich für eine Förderung der Sozialversicherungen, für Erhöhungen der Renten und eine Wiedereinführung der Tarifautonomie ein. Dies brachte ihm politische Sympathien bei den Sozialdemokraten ein, jedoch auch Gegnerschaft bei FDP und der konservativen Deutschen Partei (DP). Über den Wahlkreis Osnabrück (Niedersachsen) wurde Storch in den 1. Deutschen Bundestag gewählt. Der erste Bundeskanzler, Konrad Adenauer, konnte ihn bei der Kabinettsbildung nicht übergehen. So konnte Storch seine politische Arbeit als Sozial- und Arbeitnehmerpolitiker nunmehr im Deutschen Bundestag erfolgreich fortsetzen und tat dies im Rang eines Arbeitsministers.
Zu seinen herausragenden Leistungen in der 1. Legislaturperiode gehörten die Realisierung eines Kriegsopferversorgungsgesetzes und die paritätische Mitbestimmung im Bereich der Montanunion. In seiner zweiten Amtsperiode konnte Storch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg (heute Bundesagentur für Arbeit) auf den Weg bringen. Ein weiterer Meilenstein war die Begründung des Bundesarbeits- und Bundessozialgerichtes in Kassel im Jahr 1954. Die Rentenreform im Jahr 1957 war Storchs herausragendes Reformwerk: So etablierte er die dynamische Rente mit der Anbindung an die allgemeine Lohnentwicklung.
Bis 1965 verblieb Storch im Bundestag, musste aber sein Amt als Arbeitsminister nach der Bundestagswahl 1957 abgeben. Von 1958 bis 1965 gehörte er gleichzeitig dem Europäischen Parlament an, welches damals noch nicht direkt gewählt wurde. Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik wirkte er als Schlichter in Tarifverhandlungen. Auf Bitten des Fuldaer Bischofs amtierte Anton Storch als Vorsitzender der Gemeinschaft Katholischer Männer. Storch verstarb am 26.11.1975 in seiner Heimatstadt Fulda.
Literaturhinweis:
Hans Günter Hockes: Anton Storch (1882-1975). In: Jürgen Aretz/ Rudolf Morsey/ Anton Rauscher (Hg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern, Bd. 4, Mainz 1980, S. 250-280