Jakob Kaiser (1888-1961): „Wir haben Brücke zu sein.“
Im Dreikaiserjahr 1888 wurde Jakob Kaiser im unterfränkischen Hammelburg geboren. Er wuchs als zweites von 10 Kindern auf. Seine Familie war geprägt von einer katholischen Frömmigkeit, Fleiß und Disziplin. Wie sein Vater absolvierte er eine Buchbinderlehre. In den Jahren 1901-1904 besuchte er die Buchbinderfachschule in Schwiebus bei Frankfurt/ Oder. In dieser Zeit trat er in den Katholischen Gesellenverein und gleichfalls in den Volksverein für das katholische Deutschland ein. Im Jahr 1912 wurde er Mitglied im Zentrum. Zuvor war er bereits den christlichen Gewerkschaften beigetreten. In den Dienst seiner Gewerkschaft wechselte er 1912 und wurde Leiter des Sekretariats des Kölner Kartells christlicher Gewerkschaften.
Im 1. Weltkrieg erlitt Kaiser als Unteroffizier schwere Verwundungen. Nach 1918 nahm er seine Tätigkeit bei der christlichen Gewerkschaft in Köln wieder auf. Kaiser stand zunächst der Weimarer Republik distanziert gegenüber, zumal er sich stark mit der Monarchie identifiziert hatte. Dennoch erkannte er zunehmend die Vorzüge der ersten deutschen Demokratie, in der es möglich war, die soziale Besserstellung der Arbeiter in der Gesellschaft zu erreichen. Kaiser suchte einen politischen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Marxismus. Sozialethische Antworten fand er vor allem in der katholischen Soziallehre.
Im Jahr 1921 wurde er zum Stellvertretenden Vorsitzenden der Rheinischen Zentrumspartei gewählt. Ab 1928 gehörte er auch dem Geschäftsführenden Reichsvorstand an. Als die Verfallserscheinungen der Weimarer Republik immer deutlicher wurden, zog Kaiser in den Reichstag ein. Diesem gehörte er von März bis November 1933 an. Unter einem erheblichen Druck stimmte Kaiser dem Ermächtigungsgesetz zu. Später hat er dies als Fehler erkannt und bedauert. Mit der Machtübernahme Hitlers und der NSDAP wurden die Gewerkschaftshäuser besetzt und die freien Gewerkschaften, wie die christlichen-, zwangsweise aufgelöst. Kaiser wurde als Landesgeschäftsführer abgesetzt. Ab 1934 hatte er Kontakt zum christlichen und militärischen Widerstand gegen Hitler und den NS-Staat. Er unterhielt jedoch ebenfalls Kontakt zu Gewerkschaftern verschiedener Richtungsgewerkschaften. Zeitweilig wurde er im Jahr 1938 inhaftiert, zumal er in Verdacht stand Landes- und Hochverrat begangen zu haben. Nach dem 20. Juli 1944 tauchte Kaiser unter und versteckte sich in Babelsberg. Er überlebte die NS-Zeit als einer der wenigen Widerständler, die im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler standen.
Nach dem Zusammenbruch engagierte er sich in der CDU, deren Begründer er in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) war. Schnell zeigte sich aber, dass die Sowjets keine Demokratie im westlichen Sinne befürworteten, sondern vielmehr einen Staat nach dem Vorbild der Sowjetunion einzuführen gedachten. Kaiser konnte sich als Vorsitzender der Ost-CDU nicht halten, da er sowohl den Marshall-Plan begrüßte als auch die Oder-Neiße-Grenze zu Polen ablehnte. Inakzeptabel war für ihn ebenfalls der Volkskongress unter der Regie der Kommunisten, welcher eine Verfassung ausarbeiten sollte. Kaiser musste nach West-Berlin fliehen und wurde 1946 Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Für Berlin war er Mitglied des Parlamentarischen Rates. Die Berliner Vertreter hatten jedoch kein Stimmrecht in der Parlamentarischen Versammlung.
Kaiser gründete innerhalb der CDU in Westdeutschland die Sozialausschüsse, um eine Organisation der Arbeiter und Gewerkschafter in dieser neuen Partei zu konstituieren. Bis zum Jahr 1958 amtierte er als Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse. Nach der Bundestagswahl 1949 konnte Adenauer nicht umhin, Kaiser ins Kabinett als Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen zu berufen. Als ehemaliger Vorsitzender der CDU in der SBZ war er für dieses Ministeramt prädestiniert. Dieses versah Kaiser in den Jahren 1949 bis 1957. In seiner Amtszeit setzte er sich nachdrücklich für die deutsche Einheit ein. In der Partei war er beliebt und übte in den Jahren 1950 bis 1958 die Funktion des Stellvertretenden CDU-Vorsitzenden aus.
Sein Verhältnis zu Konrad Adenauer war nicht ungetrübt, insbesondere in der Deutschland-und Ostpolitik war Kaiser eher bereit, auf die DDR-Regierung und Sowjetrussland zuzugehen. Die ausschließliche Westbindung Adenauers erschien Kaiser nicht als der richtige Weg. Vielmehr sollte ein ungeteiltes Deutschland Brücke zwischen Ost und West sein. So war er einer der Mitbegründer des „Kuratoriums Unteilbares Deutschland“, das eine friedliche Einheit Deutschlands anstrebte. Ebenfalls wendete er sich gegen das Saar-Statut, welches Adenauer befürwortete. Den Beitritt des Saarlands zur Bundesrepublik wertete Kaiser als „Kleine Wiedervereinigung“.
Zwei Schlaganfälle Ende der 1950er Jahren beendeten seine politische Karriere. Jakob Kaiser starb am 7.5.1961 in Berlin.
Literaturhinweise:
Christian Hacke (Hrsg.): Jakob Kaiser. Wir haben Brücke zu sein, Köln 1988
Tilman Meyer (Hrsg.): Jakob Kaiser. Gewerkschafter und Patriot. Eine Werkauswahl, Köln 1988