Franz Hitze (1851-1921): Vater der katholischen Arbeitervereine
Franz Hitze wurde am 16. März 1851 als Sohn eines wohlhabenden Bauern in Hanemicke im Kreis Olpe geboren. Bereits in seiner Schulzeit beschäftigte er sich mit christlicher Sozialpolitik und las u.a. Schriften des Mainzer Bischofs Wilhelm Emmanuel von Ketteler. Nach dem Abitur begann er 1872 das Studium der Theologie in Würzburg. Bereits hier zeigte er sein großes Interesse für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der sozialen Frage. Bei seiner Studentenverbindung Unitas Hetania hielt er noch zu Studienzeiten Vorträge zum Thema.
Nach seiner Priesterweihe am 26. Juli 1878 in Paderborn wurde er Kaplan in der Piuskaplanei im Campo Santo Teutonico im Vatikan. Dies bot ihm die Möglichkeit zum vertieften Studium und reger Vortragstätigkeit. Sein favorisierter Weg zur Lösung der sozialen Frage war eine grundsätzliche Rückkehr zur mittelalterlichen Ständeordnung auf einer erweiterten und demokratischen Basis. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Solidarisierung und Gleichberechtigung der Berufe, um einen Ausgleich zwischen Sozialismus und Kapitalismus zu erreichen.
Nach seiner Rückkehr aus Rom drängten sich die gravierenden sozialen Schwierigkeiten vor die Theorie dieses Ständestaates, und er versuchte die Arbeiter mit kurzfristiger Hilfe zu unterstützen. Hierzu gehörte sein Wirken als Generalsekretär des Verbandes Arbeiterwohl. Dieses Amt nahm er auf Betreiben des Textilfabrikanten Franz Brandts an. Hier kam er in Kontakt mit katholischen Industriellen und Arbeiterfreunden. Der Verband und Franz Hitze wurden entscheidende Fürsprecher für die Gründung des Caritasverbandes. Gemeinsam mit Franz Brandts gründete er 1890 auch den Volksverein für das katholische Deutschland, der seinen maßgeblichen Auftrag in der Bildung der katholischen Bevölkerung sah. Der Verein entfaltete bis zu seinem Verbot unter dem nationalsozialistischen Regime eine rege Tätigkeit.
Ermutigt durch die Enzykliken Leos XIII. rief Hitze zur Gründung von katholischen Arbeitervereinen auf. Aufgrund der späteren Erkenntnis, dass diese dezentrale Organisation der Arbeiter nicht zielführend ist, setzte er sich für die interkonfessionellen christlichen Gewerkschaften ein. Folgerichtig sprach er sich bei dem um die Jahrhundertwende entbrannten Streit über die Erlaubnis der Mitgliedschaft von Katholiken in interkonfessionellen Gewerkschaften gegen zum Teil erheblichen bischöflichen Widerstand für die interkonfessionelle Lösung aus.
Nach einer Ehrenpromotion zum Dr. theol. wurde er 1893 von der theologischen Fakultät der Universität Münster auf den eigens eingerichteten, ersten Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre berufen.
Neben seiner Tätigkeit in den verschiedenen Verbänden und Vereinen ist vor allem sein politisches Wirken bemerkenswert. So war er einige Jahre Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses und von 1884 bis zu seinem Tod Mitglied der Zentrumsfraktion im Deutschen Reichstag. Hier übte er maßgeblichen Einfluss auf die Sozialgesetzgebungen unter Reichskanzler Bismarck aus und galt als Experte für den Arbeiterschutz. Aus einer Debatte um den Arbeiterschutz stammt ein Zitat, das sinnbildlich für seine Politik ist: „Ich möchte bitten, beginnen wir einmal praktisch. Wir werden dann Erfahrungen sammeln; mit Erörterungen und Diskussionen kommen wir nicht weiter […] Also ich bitte Sie, stimmen Sie unseren Anträgen zu; Sie tun ein gutes Werk für unsere Arbeiter.“[1]
Einflussgebend wurde er noch bei der Erarbeitung der Weimarer Verfassung. Hier war er vor allem für den Auftrag zur Einrichtung von Betriebs- und Bezirksräten, bei gleichzeitiger Abwehr des radikalen Rätegedankens, verantwortlich.
Franz Hitze starb am 20. Juli 1921 in Bad Nauheim aufgrund eines schon längere Zeit bestehenden Herzleidens.
Literaturhinweise:
Bautz, Friedrich Wilhelm: Franz Hitze. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon II (1990), S. 902-904
Gabriel, Karl/Große Kracht, Hermann-Josef (Hrsg.): Franz Hitze (1851-1921), Sozialpolitik und Sozialreform. „Beginnen wir einmal praktisch…“, Paderborn 2006
Mockenhaupt, Hubert: Franz Hitze (1851-1921). In: Morsey, Rudolf (Hg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 20. Jahrhunderts, Mainz 1973, S. 53-64
[1] Zit. n. Mockenhaupt, Hitze, S. 62.