Die Stiftung CSP hat in Kooperation mit EZA (Europäisches Zentrum für Arbeitnehmerfragen) zum gemeinsamen Seminar geladen: Vom 31. Mai bis zum 02. Juni 2013 fanden sich 26 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus sämtlichen Ländern Europas hier ein, um gemeinsam über den Wert wie auch die Umsetzung der Sozialstandards zu diskutieren. Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften und christlichen Mitbestimmungsorganisationen aus Portugal, Spanien, Rumänien, Kroatien, Slowenien, Estland, Bulgarien, Tschechien, Zypern wie auch Deutschland tauschten ihre Erfahrungen, Hoffnungen und Ideen in der von der Europäischen Kommission unterstützen Veranstaltung aus.
Am Freitag begann das Seminar nach einem gemeinsamen Mittagessen. Begrüßende Worte sprachen Karsten Matthis, Geschäftsführer der Stiftung CSP, und Roswitha Gottbehüt, Generalsekretärin EZA. Christine Jäger, Bildungsreferentin für Betriebs- und Personalräteseminare, begleitete moderierend durch das Seminar. Nach einer Vorstellungsrunde, bei der Marjan Bajt von der Gewerkschaft ZD. N.SI eine Skizzierung der wirtschaftlichen Lage Sloweniens präsentierte, wurde der erste Vortrag gehalten; Rainald Thannisch, politischer Referent DGB, sprach über die „CSR-Politik aus Sicht der deutschen Gewerkschaften“ (CSR = Corporate Social Responsibility). So fordert der DGB etwa ein international verbindliches Regelwerk für die soziale und ökologische Verantwortung der Unternehmen. Anerkannte Standards aus gewerkschaftlicher Sicht sind hier die ILO (International Labour Organization)-Kernarbeitsnormen und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Gewerkschaften und Akteure der Mitbestimmung werden zunehmend mit CSR konfrontiert. Daher sollten Betriebsräte ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten dort nutzen, wo CSR ihre Mitbestimmungsrechte berührt. Doch ist im Hinblick auf CSR auch Achtung geboten: CSR kann sich auch als „window dressing“ entlarven, wenn Betriebsratswahlen oder generell die Betriebsratsarbeit in Deutschland verhindert wird – denn dies sind klare Gesetzesverstöße.
Der folgende Vortrag von Gertrud Falk, Referentin FIAN (FoodFirst Informations- und Aktionsnetzwerk), thematisierte „ILO – die Konventionen der Kernarbeitsnormen und ihre praktische Umsetzung“. Mit Nachdruck stellte sie nicht nur die Kernarbeitsnormen Vereinigungsfreiheit, Diskriminierungsverbot, Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit und Verbot von Zwangsarbeit vor, sondern zeigte auch mit Blick auf die Blumen- und Bekleidungsindustrie die Verletzungen der ILO-Konventionen auf. Diese Konventionen allein genügen nicht, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Solidarität ist das, was die Betroffenen benötigen. Unterstützen können wir durch Petitionen und Briefaktionen von Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen oder auch Einladungen der Betroffenen zu Vortragsreisen. Handelsbeziehungen zu ausbeuterischen Produktionsbetrieben können recherchiert und aufgedeckt werden, vielleicht durch Demonstrationen vor den Betrieben verstärkt werden. Soziale Netzwerke bieten sich für derartige Kampagnen an. Denn eines mögen diese Betriebe nicht – eine Offenlegung ihrer Arbeitsweise und das daraus folgende negative Image.
Die Abendeinheit des ersten Tages beschloss Marianne Schütterle, ehrenamtliche Mitarbeiterin der UNICEF-Arbeitsgruppe Bonn, mit ihrem Vortrag „Kinderarbeit – nicht nur in Afrika, auch in der EU ein Thema!“. Sie berichtete von ihrer Arbeit bei UNICEF und stellte die grenzenlose Ausbeutung der Kinder anhand verschiedener Beispiele dar. Um „Ausbildung statt Ausbeutung“ zu ermöglichen, bietet UNICEF unterschiedliche Optionen an: So werden Übergangszentren für ehemaliger Kindersoldaten und missbrauchte Mädchen gefördert oder durch Gesundheits- und Bildungsangebote die gesamte Lebenssituation von Familien verbessert. Was der Einzelne dafür tun kann? Bewusste Kaufentscheidungen für Produkte ohne Kinderarbeit treffen oder UNICEF durch Spenden wie auch ehrenamtliches Engagement unterstützen. Christine Jäger rundete die Einheit mit einem historischen Überblick der wie auch Beispielen für Kinderarbeit im heutigen Europa ab.
Der zweite Tag begann mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse des Vortages von Christine Jäger und einem Vortrag von Nikolaus Teves, Geschäftsführer der HWK Rhein-Neckar-Odenwald, über „Qualitätsmanagement und Sozialstandards – eine globale Perspektive“. Herr Teves stellte Inhalte und Zielabsicht der Norm „ISO 9001“ dar. Er hob die systematische Transparenz aufgrund der Implementierung der Norm hervor und zeigte die mittel- wie unmittelbaren positiven Auswirkungen einer Zertifizierung gemäß der Norm. Jene Auswirkungen können unter anderem durch die Nachprüfbarkeit im Bereich der Zuordnung von Verantwortlichkeiten und durch Möglichkeiten der Fehlerdokumentation erreicht werden.
Im Anschluss daran stellten Juan Blanco und Carlos Romero, MCA-UGT Madrid, die Wirtschaftslage und Arbeitsreform in Spanien dar. Der Bericht bewegte das Plenum nachhaltig. Hierauf folgten zwei Best Practice-Beispiele, die Umsetzung von CSR in portugiesischen wie auch in rumänischen Unternehmen. Dazu sprachen Jorge Manuel Santana von der Gewerkschaft BASE-F.U.T. und Silviu Traian Ispas von IFES. Alexandra Cornea beschloss diese Einheit mit einen detaillierten Darstellung des Standards “SA 8000“, welcher die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in supranationalen Unternehmen anstrebt.
Die folgende Arbeit in den Workshops unterlag den Fragestellungen „Welche berechtigten Anforderungen kann der nationale und supranationale Gesetzgeber an die multinationalen Unternehmen zur Schaffung von Transparenz stellen?“ und „Was können Gewerkschaften tun, um die Umsetzung von CSR zu fördern?“. Die erste Gruppe wurde von Silviu Ispas, die zweite von Alexandra Cornea und Jorge Santana angeleitet. Im ersten Workshop wurden die Einführung turnusmäßiger Kontrollen zur Sicherung der Transparenz wie auch die Schaffung von Organisationen für soziale Audits vorgeschlagen. Der zweite Workshop hob das Problem der fehlenden Unterstützung der Gewerkschaften durch die Arbeitgeber hervor. Auf dieser Grundlage verwies sie auf die bislang fehlende Durchsetzung von Standards wie SA 8000.
In der Abschlussdiskussion stellte sich das Plenum der Frage nach der Situation in fünf bis zehn Jahren. Zur Beantwortung wiesen die Teilnehmer in ihren Beiträgen einmütig auf die Problematik der aktuellen Wirtschaftskrise hin, deren Existenz sie als essentiell für die Verfolgung von Strategien ansehen, die die wirtschaftlichen und sozialen Situationen in den Ländern verbessern können. Vor diesem Hintergrund wird die Frage als nicht zu beantworten empfunden, da es eben heute nicht abschätzbar ist, wohin die Krise Europa führen wird: Status quo oder generelle Besserung?
Final hob das Plenum hervor, dass der dezidierte Blick auf internationale Standards nebst den Einblicken in die Schwierigkeiten der europäischen Nachbarländer wie auch deren Lösungsansätze im Zuge der Bewältigung der aktuellen Krise eine Bereicherung darstellt.
Autorin: Christine Jäger, Bildungsreferentin der Stiftung CSP für Betriebs- und Personalräteseminare