Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888): Vater des Genossenschaftswesens

Friedrich Wilhelm Raiffeisen wurde 1818 in Hamm an der Sieg als siebtes von neun Kindern geboren und starb 1888 in Heddesdorf (heute Neuwied). Seine Kindheit war von Geldnöten geprägt, Gymnasial- und Hochschulbesuch waren nicht finanzierbar. Er meldete sich mit 17 freiwillig zum Militär. Nach seiner Militärzeit, die er als Unteroffizier wegen eines Augenleidens beenden musste, wurde er Bürgermeister in Weyerbusch (1845/48), in Flammersfeld (1848/52) und anschließend in Heddesdorf (1852/65). Aus gesundheitlichen Gründen – sein Augenleiden hatte sich so verschlechtert, dass er die Menschen, denen er begegnete, nicht mehr erkennen konnte – musste er 1865 aus dem Bürgermeisteramt ausscheiden.

Bereits in Weyerbusch begann er, in beharrlicher Leidenschaft Formen zu finden, die konkrete Not der Menschen durch Selbsthilfe und Selbstverantwortung zu mildern, wobei drei Aufgabenbereiche ihm zentral wichtig waren, für die er unermüdlich arbeitete: das Soziale (Genossenschaften), die Bildung (Schulbau) und die Infrastruktur (Straßenbau, Wasserversorgung).

Raiffeisen gründete den „Weyerbuscher Brodverein“ – anfänglich zur Verteilung von Lebensmitteln, dann für den gemeinsamen Bezug von Saatgut und Kartoffeln. Das bald darauf errichtete Gemeindebackhaus war eine erste genossenschaftsähnliche Einrichtung. Sein Wirken setzte er in Flammersfeld und dann in Heddesdorf konsequent fort und entwickelte seine Formen der Darlehnskassenvereine zur Linderung der Not der ländlichen Bevölkerung. Er gründete den „Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirte“, der Kredite an Landwirte vergab. Daraus erwuchs mit Unterstützung des Landwirtschaftlichen Vereins für Rheinpreußen und des Fürsten Wilhelm zu Wied der Aufbau seines Weges der Genossenschaftsgründungen, dem er sich trotz der Erblindung bis zu seinem Tod unermüdlich und erfolgreich widmete.

Diese Gründungen wurden zu einer Keimzelle des heute weltumspannenden Genossenschaftswesens. Raiffeisens Satz: „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“ wurde zum Markenzeichen der Genossenschaften.

2016 wurde die Genossenschaftsidee als erster deutscher Vorschlag durch die UNESCO in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.

Die Weltkulturorganisation unterstrich damit die Bedeutung der Genossenschaften für das Zusammenleben der Menschen. In Deutschland ist die Genossenschaftsidee und -praxis durch ihre weite Verbreitung eine gesellschaftsprägende Kulturform. Weltweit zählen Genossenschaften über 1,2 Milliarden Mitglieder.

Raiffeisen, der tiefgläubige evangelische Christ, sah sein Handeln immer auch in der Nächstenliebe begründet. „Was Ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, habt Ihr mir getan“ (MT 25,40) war sein Lebensmotto.

Literaturhinweise:

Michael Klein: Bankier der Barmherzigkeit: Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 2002

Walter Koch: Der Genossenschaftsgedanke F.W. Raiffeisens,(Diss.), 1991

Ders.: Friedrich Wilhelm Raiffeisen 1818 – 1888, woher – wohin, 1997

Paul Josef Raue: Raiffeisen – Ein Leben für eine gerechte Gesellschaft, 2018

Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Bildnachweis AdsD Friedrich Ebert Stiftung